März und April waren immer vollgepackte Messemonate. Das hat COVID geändert. Keine Kontakte, keine Treffen, keine Messen vor Ort. Doch wie geht es weiter mit den Weinmessen? Dazu hat das Falstaff Magazin für seine aktuelle Insider-Ausgabe verschiedene Experten befragt – darunter auch mich. Meine klare Meinung: Sicherlich haben Weinmessen eine Zukunft, Aber wie sieht diese aus? Das Virus wirkt wie ein Katalysator, der Entwicklungen und Trends in der Gesellschaft beschleunigt. Das trifft insbesondere auch für das internationale Messegeschäft zu. Die Messeindustrie muss jetzt ihre Hausaufgaben machen, wenn sie in der Post-COVID Welt nicht dauerhaft an Bedeutung verlieren will.
Von außen betrachtet hat die Messeindustrie vor COVID goldene Zeiten erlebt und ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen. Die globalen Weinmessen haben sich zu wirkungsvollen Instrumenten für internationalen Vertrieb und Marketing und “Events- to-be” im Portofolio vieler Player entwickelt. Bieten sie doch eine hohe Anzahl an persönlichen Kontakten in der “realen” Welt und in einem begrenzten Zeitrahmen, um langfristige Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.
Das Messegeschäft ist diverser, spezieller und mehr umkämpft als zuvor
Doch die Messebranche befindet sich bereits seit Jahren zugleich einem fundamentalen Umbruch, den COVID noch einmal deutlich beschleunigen wird. Wir erleben eine Konsolidierung im globalen Messegeschäft sowie eine Diversifizierung in Richtung Regional- und Spezialmessen. Hinzu kommt der Wettbewerb mit alternativen Kommunikationsformen, auch wenn sich virtuelle Events langfristig wohl eher als eine Ergänzung als eine Alternative zu Messen und Konferenzen etablieren werden. Und wer den Trend der Zeit verpasst, kann auch als internationaler Branchentreffpunkt in Schieflage geraten. Das hat vor einigen Jahren beispielsweise die Krise der damaligen London International Wine Fair gezeigt.
Auch für den Branchenprimus ProWein ist der Wind bereits vor COVID deutlich rauer geworden. Man denke an neue, konkurrierende Messeformate wie WineParis, die Herausforderung unterschiedliche Bedürfnisse von nationalen und internationalen Zielgruppen in Einklang zu bringen oder an die vielfach kritisierten gestiegenen Aufenthaltskosten in Düsseldorf.
Neue Geschäftsmodelle sind gefragt
Natürlich ist eine gut funktionierende, preisgünstige und effiziente Messe-Infrastruktur auch in Zukunft unerlässlich, um die Aussteller zufrieden zu stellen. Doch der Fokus auf das “Vor-Ort” reicht nicht für ein erfolgreiches Messekonzept. Reisezeit und -budgets werden nach der COVID knapper sein als zuvor; daher werden die Teilnehmer und Top-Entscheider diejenigen Veranstaltungen wählen, aus denen sie den höchsten individuellen Nutzen ziehen bzw. gleich fernbleiben und andere Formate wählen. Die Messen werden in Zukunft daher noch viel klarer ihren Mehrwert gegenüber ihren Zielgruppen herausarbeiten und kommunizieren müssen. Dazu zählen insbesondere Geschäftsmodelle, die über den reinen Verkauf von Messefläche hinausgehen.
Daten und Emotionen bestimmen die Zukunft
Ein Beispiel hierfür ist das „Data Mining“. Die großen internationalen Messegesellschaften besitzen einen ungeheuren Schatz an Daten. Den kapitalisieren sie derzeit noch nicht in dem Umfang, wie es viele Unternehmen im Digitalbereich längst tun. Sie könnten ihre Weinmessen beispielsweise zu hybriden Handelsplattformen weiterentwickeln, die das Angebot und die Nachfrage ihrer Kunden über die klassischen Messetage hinaus zielgenau zusammenbringen.
Das gilt insbesondere auch für die ProWein, die global gesehen sich für die internationale Weinbranche vor COVID zum wichtigsten Marktplatz der westlichen Hemisphäre geworden ist. Auch sie muss sich weiterentwickeln – mit einem digitales Gesamtkonzept, mit zusätzlichen Assets für ihre Kunden und dem Ausspielen der Stärken ihres internationalen Verbunds. Indem sie beispielsweise Anbieter und Nachfragen über ihre globales Netzwerk zusammenbringt – und das über die Weinsparte hinaus. Schließlich umfasst das Portfolio der Düsseldorfer weit mehr als “nur” eine Weinmesse.
Und nicht zu vergessen: Es bedarf einer neuen Form der Emotionalisierung. Eine Positionierung der Messe als Bühne für Interaktion, Innovation und Pioniergeist in der Post-COVID Zeit. Denn eines der wichtigsten Assets von Messen ist und bleibt ihr emotionaler Charakter als attraktive, Community-getriebene Events für persönliche Interaktion und Networking – besonders für ein emotionales Produkt wie Wein.
Siehe auch mein Statement im aktuellen Falstaff Insider 202