Wie uns COVID-19 stark machen kann –
In meinem letzten Blogbeitrag „COVID-19 und die Folgen – Eine Deutschlandreise ins Frühjahr 2023“ habe ich ein mögliches Szenario aufgezeigt, wie COVID-19 unsere Welt verändern könnte. Krisen sind Katalysatoren, die Trends verstärken und altes hinwegfegen. Auch wenn niemand realistisch sagen kann, wie unser Leben im Frühjahr 2023 aussehen wird, lassen sich doch bereits heute Lehren aus COVID-19 ziehen. Vier Paradigmen sehe ich als Kern eines Mastercodes, der uns helfen kann aus der aktuellen Krise gestärkt hervorzugehen. Indem wir neu denken, uns neu aufstellen, neu führen und neu kommunizieren.
Wir müssen neu denken
Corona hat uns gnadenlos vor Augen geführt, wie schnell sich Dinge ändern können. Lineares Denken alleine reicht nicht mehr. Nur weil sich etwas in der Vergangenheit so oder so entwickelt hat, können wir nicht davon ausgehen, dass es das auch in unserer global vernetzten Zukunft so tut. COVID-19 schien noch im Januar 2019 für die meisten Menschen in Europa weit weg. Doch das Virus hat uns im wahrsten Sinne des Wortes mit exponentieller Macht eingeholt. Radikaler, umfassender und schneller als wir uns das vorgestellt haben. Wir müssen experimentell denken, wie es der amerikanische Unternehmer Peter Diamandis bereits 2008 im Blick auf die Tech-Welt formuliert hat. Wir müssen disruptive Faktoren frühzeitig identifizieren und in Veränderungsmustern denken. Unsere Mittel dahin lenken, wo wir sie künftig brauchen. Nicht dorthin, wo sie in der Vergangenheit gebraucht wurden. Exponentielles Denken erfordert auch neue Organisations-, Führungs- und Kommunikationsformen.
Wir müssen uns neu aufstellen
Permanente Veränderung braucht robuste und zugleich agile Unternehmens- und Gesellschaftsstrukturen. Wenig Bürokratie, dafür eine auf einem flexiblen und starken Netzwerk basierende Organisation mit flachen Hierarchien. Denn nur so bleibt sie beweglich und kreativ, fokussiert sich nach außen anstatt sich mit sich selbst zu beschäftigen.
Ein gemeinsamer Purpose, ein höheres Ziel ist ebenfalls entscheidend für die Menschen. Gerade, wenn sich Geschwindigkeiten oder Parameter ändern. Wenn wir davon überzeugt sind, dass es wichtig ist, dass wir etwas tun, dann motiviert uns das. Auch wenn uns der Wind ins Gesicht bläst. Ein gemeinsamer Leitstern schafft Identität, stärkt das Gefühl zum selben Stamm, zur selben Gemeinschaft zu gehören. Es fördert auch den Wunsch etwas zurückzugeben. Beides sind Urbedürfnisse des Menschen. Wir erleben sie unter anderem jedes Wochenende beim Fußball. Bei den Fans etwa, die teilweise tausende Kilometer reisen, um “ihre” Mannschaft beim Auswärtsspiel zu unterstützen.
Auch Partnerschaften nach außen – jenseits der eigenen Kernkompetenzen – helfen Disruption zu erkennen und erfolgreich zu agieren. Nach Angaben der Wochenzeitschrift “Die Zeit” investiert beispielsweise der chinesische Online-Riese Alibaba mehr als 40 % seines Umsatzes in externe Investitionsprojekte und Start-ups.
Wir müssen neu führen
Die Stärke eines Menschen, aber auch einer Gesellschaft oder eines Unternehmens zeigt sich unter anderem darin, Unsicherheit auszuhalten. Das gelingt nur mit einer offenen, auf Vertrauen und Dialog basierenden Führungskultur, die Zuversicht in der Unsicherheit vermittelt. Wir haben gerade in der ersten Phase des Lockdown erlebt, wie wichtig es ist, dass Führung Vertrauen gibt. Um Sicherheit zu vermitteln, braucht es zunächst einmal eine klare Sicht auf die Dinge. Als Leader müssen wir eine strategische Vision zu entwickeln, die den Best-Case anstrebt und den Worst-Case mitdenkt. Wir müssen entscheiden, prüfen gegebenenfalls korrigieren und vor allem kommunizieren. Wir müssen die Menschen in unserer Organisation oder in unserer Gesellschaft „empowern“. Sie motivieren und befähigen, agil und kreativ gemeinsam mit uns die gesteckten Ziele zu erreichen. Das wichtigste Instrument ist Kommunikation.
Wir müssen neu kommunizieren
Führung ist vor allem Kommunikation. Zuhören, erklären, Energien freisetzen, Vorbehalte abbauen, Kreativität fördern. Im Lockdown habe ich selbst mehr als doppelt so viel mit meinen Teams und mit unseren Partnern kommuniziert. Situationen analysiert und die Notwendigkeit von Entscheidungen erklärt.
Wir können und wir müssen es mit unseren Entscheidungen niemals allen recht machen. Aber wir können und müssen allen erklären, warum wir tun, was wir tun. Nicht nur einmal, sondern immer wieder und wieder. Gerade in Krisenzeiten. Gerade auch unübersichtlichen Situationen, beim “Auf-Sicht-Fahren”, das immer wieder Kursanpassungen nötig macht. Menschen alleine mit ihren Ängsten und Sorgen zu lassen, ihnen nicht zuzuhören, ihre Gefühle und Einwände nicht ernst zu nehmen, Informationslücken nicht zu schließen – all das schürt Unsicherheit, erodiert Glaubwürdigkeit und fördert Filterblasen. Auch das zeigt COVID-19 uns gerade.